
Toxic Objects - Ein Denkanstoß
Skulpturen im öffentlichen Raum haben eine bewegte Geschichte. Einige werden hier im Schaudepot Königin Bastion der Zitadelle Spandau bewahrt. Wie kann der Umgang mit toxischen Objekten aussehen? Zeigen? Kontextualisieren? Intervenieren?
Student*innen des Bachelorstudiengangs Museologie der HTW Berlin haben sich 2024 ein Semester lang mit diesen Fragen beschäftigt. Der Prozess ihrer Aushandlungen ist in einer Videoinstallation dokumentiert und wird hier im Dialog mit den Objekten präsentiert.
Wir laden Sie ein, sich Ihre eigene Meinung über die Toxic Objects zu bilden.






Büste „Anton Wilhelm Hofmann“
Fritz Gerth (1845 – 1928)
Enthüllung: 18.10.1903
Marmor
Die Büste stellt den Chemiker Anton Wilhelm Hofmann dar.
Er war langjähriger Leiter des College of Chemistry in London und Rektor der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin. Seine Büste ist zusammen mit der des Philosophen und Theologen Eduard Zeller und des Standbildes der „Kaiserin Friedrich“, Teil der Gruppe 34 der „Siegesallee“.
Macht, Marmor, Männlichkeit
Die „Siegesallee“ stand von 1898 bis zu ihrem Abbau durch die Alliierten 1954 im östlichen Teil des Berliner Tiergartens. Sie wurde von Kaiser Wilhelm II. als Ehrenschmuck der Stadt Berlin gestiftet. Sie hatte zum Ziel den Anteil Brandenburg-Preußens an der Gründung des Deutschen Kaiserreichs und das gesellschaftliche Spektrum der vergangen 750 Jahre zu zeigen. Dazu wurden, als repräsentativ erachtete, männliche Standbilder in Marmor gehauen. Die einzige weibliche abgebildete Person war Victoria von Großbritannien und Irland, genannt „Kaiserin Friedrich“. Ihre Gruppe und die ihres Mannes, Kaiser Friedrich Ill., kamen 1903 zu den bestehenden 32 Gruppen hinzu.
Mehr zur Siegesallee erfahren Sie in der Ausstellung „Enthüllt – Berlin und seine Denkmäler“.
Skulptur „Die Hockende“
Arminius Hasemann (1888 – 1979)
Entstehung: vermutlich 1920er
Muschelkalk
Was löst der Zustand dieser Skulptur bei Ihnen aus? 1980 wurde in Berlin-Zehlendorf das ehemalige Atelier und Wohnhaus Hasemanns abgerissen. Durch das Engagement einflussreicher Nachbarn wurden fünf Jahre später zwei seiner Werke auf dem Grünstreifen diesem Grundstück gegenüber aufgestellt. Die hier gezeigte Skulptur sowie die eines stehenden Fauns sollten der Erinnerung an den Künstler dienen.
Kontroverse im Stadtraum
Die 2000 vom Heimatverein Zehlendorf angebrachte und durch Spenden finanzierte Beschilderung der Statue trug einen klar rassistischen, nicht vom Künstler überlieferten Titel. Am 17. Juni 2020 wurde der Kopf der Statue von Unbekannten abgeschlagen, woraufhin sie abgebaut wurde und erstmals öffentliche Aufmerksamkeit erhielt. Es entbrannte eine Debatte über die heute als rassistisch betrachtete Darstellung einer Schwarzen Frau durch den vom Nationalsozialismus geprägten Künstler Arminius Hasemann, der bereits vor 1933 NSDAP-Mitglied war und sein Wirken von 1932 bis 1945 später mehrfach verschwieg.
Der rassistische Titel wird in dieser Ausstellung nicht reproduziert.
Kopfskulptur „Romanichel“
Werkstatt Arno Breker
Entstehung: um 1940
Marmor
Dargestellt ist eine männliche Romani-Person. Breker traf ihn in den 1920er Jahren in Paris und porträtierte ihn mehrfach. Diese Skulptur ist in der Technik Non-Finito gefertigt und weist Beschädigungen auf. Sie wird nicht Breker zugeschrieben, sondern stammt aus seiner Werkstatt.
Hitlers Bildhauer
Arno Breker (1900-1991) verbrachte die 1920er Jahre in Paris. Seine frühen Werke zeigten einen modernen Stil. Nach Adolf Hitlers Regierungsantritt kehrte er nach Deutschland zurück. Er nahm am Wettbewerb zur Gestaltung des Olympiageländes teil und gewann den 2. Platz für seine Bronzeplastiken „Zehnkämpfer“ und „Siegerin“. Breker passte sich der NS-Ästhetik an und bediente die Propaganda in der Kunst. Von 1938 bis 1945 arbeitete er eng mit Albert Speer am geplanten Ausbau der Welthauptstadt Germania zusammen. Auf Adolf Hitlers Wunsch entwarf er monumentale Skulpturen und Reliefs. Breker profitierte finanziell und in Ansehen von den NS-Aufträgen und wurde in die Gottbegnadeten-Liste aufgenommen. Nach Kriegsende erfolgte die Einstufung als Mitläufer. Er arbeitete als angesehener Bildhauer weiter.
Mehr zum Zehnkämpfer erfahren Sie in der Ausstellung „Enthüllt – Berlin und seine Denkmäler“.
Portraitbüste „A.H.“
Josef Limburg (1874 – 1955)
Entstehung: ca. 1937
Marmor
Was löst der Anblick dieser Büste bei Ihnen aus?
Diese Büste glorifiziert den Tyrannen und Diktator Adolf Hitler. Gefunden wurde sie in einer Baugrube in Berlin. Bis 1945 stand an dieser Stelle ein öffentliches NS-Regierungsgebäude. Eventuell befand sich die Büste in dessen Interieur oder sie gelangte zufällig an den Fundort.
Eine Wahl der Qual – Schuf Josef Limburg diese Büste, weil die Zeit es verlangte?
Als Sohn eines Goldschmieds, übernahm Limburg das Handwerk des Vaters und studierte Bildende Künste. Seine Bekanntschaft mit dem Direktor der vatikanischen Bibliothek verschaffte ihm Porträtaufträge von geistlichen Würdeträgern bis hin zu einer Kolossalbüste von Papst Gregor XIII. Seither dominierten in seinen Werken religiöse Thematiken wie Engel, Madonnen- und Christusfiguren.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wechselte er die Sujets zugunsten von Darstellungen Adolf Hitlers.
Eine Figur des Standbildes „Schreitende Pferde“
Josef Thorak (1889- 1952)
Entstehung: 1939
Bronze
Diese Plastik war ursprunglich Teil des Doppelstandbilds „Schreitende Pferde“, das Thorak 1939 Adolf Hitler schenkte. Dieser ließ es vor der Neuen Reichskanzlei aufstellen. Thorak unterhielt enge Beziehungen zu Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Albert Speer, die ihm während der NS-Zeit zu lukrativen Aufträgen und zur Aufnahme in die Gottbegnadeten-Liste verhalfen – einer 1944 in Goebbels Auftrag erstellten Liste schützenswerter Künstler*innen, die vom Fronteinsatz im Zweiten Weltkrieg befreit wurden.
Mythos der Unschuld
Nach dem Krieg stellte sich Thorak erfolgreich als unschuldiger Künstler dar. Tatsächlich war er am NS-Kunstraub beteiligt, ließ sich von Albert Speer ein staatlich finanziertes Atelier bauen und erwirkte rechtswidrig den Verkauf von Schloss Prielau am Chiemsee durch die Gauleitung Salzburg. Für eine eigene Ausstellung fertigte er ein drittes Pferd an, das 1961 von seiner Familie dem Landschulheim Ising am See geschenkt wurde – als Ausgleich für Internatsgebühren eines Verwandten. Die Skulptur steht dort bis heute unkommentiert mit Thoraks im Sockel eingravierter Signatur.
Mehr zu den Schreitenden Pferden erfahren Sie in der Ausstellung „Enthüllt – Berlin und seine Denkmäler“.
Büste „Graf Leonhard von Blumenthal“
Adolf Brütt (1855 – 1939)
Enthüllung: 1903
Marmor
Dargestellt ist der preußische Generalfeldmarschall Graf Leonhard von Blumenthal. Für seine militärstrategischen Verdienste wurde er in den Adelsstand erhoben. Gemeinsam mit den Abbildungen von König Friedrich III. und dem Mediziner Hermann von Helmholtz bildet diese Büste die Gruppe 33 der Siegesallee. Diese repräsentiert die Machtansprüche Preußens im Kontext der Siegesallee.
Vom Schwerttanz zur Siegesallee
Nach dem Entwurf von Ernst von Ihne schuf Brütt die Gruppe 33 der Siegesallee, welche als Verbindungsstück zu seinem 1904 geschaffenen Standbild des Prinzen Wilhelm von Preußen sowie zu dem 1906 in Weimar vollendeten Relief der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche diente.
Weltweite Prominenz erfuhr der Bildhauer durch „Die Schwerttänzerin“ (1891-1893). Für dieses Werk erhielt er 1900 auf der Weltausstellung in Paris die Goldmedaille. Als Hauptvertreter des norddeutschen Realismus‘ hatte er eine Professur sowie eine Senatorenstelle an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin inne.
Mehr zur Siegesallee erfahren Sie in der Ausstellung „Enthüllt – Berlin und seine Denkmäler“.
